Die Insel hat nicht nur Marlene Dietrich als "ihr" Kind zu bieten. Auf einen Sohn findet sich aber kein Hinweis (im Gegensatz zur Leberstraße 65 mit gleich zwei Gedenktafeln für die Dietrich): Auch das Geburtshaus von Alfred Lion in der Gotenstraße 7 befindet sich im Schöneberger Kiez. Als Alfred Loew oder Löw wurde er vor hundert Jahren am 21. April 1909 geboren. Schon als Jugendlicher verlor er sein Herz an den Jazz; sein "Erweckungserlebnis" hatte er 1925 im Admiralspalast, in dem Sam Wooding & The Chocolate Kiddies aus den USA auftraten. Mit der Machtergreifung der Nazis 1933 wurde Jazz als "Niggermusik" verunglimpft und war unerwünscht. Lion sah als Jude keine Zukunft in Nazi-Deutschland und emigrierte rechtzeitig 1936 in die USA. Wenige Jahre später folgte sein Freund Francis Wolff und gemeinsam gründeten sie 1939 das Label Blue Note Records. Die Liste der Künstler von Blue Note liest sich wie ein who-is-who des Jazz: Art Blakey, Horace Silver, Ike Quebec, Cannonball Adderley, Herbie Hancock, Grant Green, George Benson, John Coltrane, Duke Pearson, Bobby Hutcherson, Lonnie Smith, Blue Mitchell, Joe Henderson, Thelonius Monk, Bud Powell, Dexter Gordon, Freddie Hubbard, Miles Davis, Ornette Coleman, Freddie Roach, Jimmy Smith oder Lou Donaldson - Alfred Lion hatte sie alle unter Vertrag. Dass die schwarzen Künstler auf den Platten-Covern abgebildet wurden, war ein Novum im Alltagsrassismus in den USA. "The Lion & The Wolff" setzten zu Promotiosnszwecken auf kostengünstige Singles, die durch Radio und Jukebox populär wurden.
Den Künstlern wurden Freiheiten gewährt, von denen Musiker heutzutage nur träumen können. Die einzige Anweisung von Lion lautete: "It must swing!" Ansonsten war alles möglich. 1966 verkaufte Alfred Lion seine Firma an Liberty und verstarb 1987 in New York, übrigens ohne je ein Instrument gespielt zu haben. Er hat eine ganze Musikrichtung geprägt und mitgestaltet. Es wird Zeit, an Alfred Lion in der Gotenstraße 7 zu erinnern.
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