Dienstag, 8. März 2016

Rotlicht aus

Die einstige Rotlicht-Bar in der Torgauer Straße

Unser Kiez verändert sich; auch in meinem, etwas heruntergekommenen Haus hält nun die gefürchtete Gentrifizierung Einzug. Würden jedenfalls deren Gegner sagen. Bislang residierten diverse Puffbetreiber in der Ladenwohnung im Erdgeschoss, vermutlich überwiegend illegal. Von den alten Geschichten – wie von dem erstochenen Russen in der Silvesternacht oder der Hanfplantage unter dem Dach – weiß nur noch mein nettes älteres Nachbarehepaar zu berichten. Auch wenn neue Geschichten in letzter Zeit dazukamen: Der Nachbar im 5. Stock flüchtete vor einigen Wochen über das Dach vor der Polizei oder der bestialische Gestank aus der Erdgeschosswohnung, die von den Puffbetreibern Hals über Kopf verlassen wurde. Ansonsten hatte man seine Ruhe: Freier und illegale Bordellbetreiber, die anscheinend keine zuverlässigen Mietzahler sind, scheuen eher die Aufmerksamkeit und sind erfahrungsgemäß eher scheue Wesen. Es war und ist in allen seinen Facetten ein typisches Berliner Mietshaus, etwas verrucht und etwas klischeehaft, aber mit Geschichte(n).

Nun gibt es neue Mieter in der Ladenwohnung: Junge Leute werkeln vor sich hin, um ein Frühstückscafé zu eröffnen. Die Meinungen der Nachbarn reichen von heller Begeisterung bis zur Sorge vor potentiellen lärmenden Gästen.

Fakt ist aber: Die Gastronomiedichte nimmt auf der Insel zu. In der Torgauer Straße ist es das zweite neue Café nach dem „Peppe“ Ecke Gustav-Müller-Straße. In der Leberstraße hat letztes Jahr der „Weinverein Rote Insel“ eröffnet, es finden sich das "Nosch Deli", das wunderbare "Mokalola", die Cafés "Taubenschlag" und "Mütlich". Die Regel lautet: Je weiter man sich zur Kolonnenstraße bewegt, desto höher wird die Latte- und Brownie-Dichte. 
Der Kiez wird lebendiger, er wird teurer. Hoffentlich nicht normaler.


Übrigens, ein kleiner Tipp für die neuen Mieter: Seit die Eisdiele in der Leuthener Straße vor einigen Jahren weg-luxussaniert wurde, fehlt ein wirklich guter Eis-Dealer! Und Toi, toi, toi!

11 Kommentare:

  1. Also, die Eisdiele mag ja Flair gehabt haben, außer den vielen Kindern der Insel hat dort aber kaum noch einer Eis gegessen, weil es schlicht und einfach nicht mehr schmeckte. Aromen und Farben der 50ger wollte einfach keiner mehr. Auch wenn der Betreiber natürlich eine urige Type war. Das Eis war einfach schlecht. Der Wein-Verein wäre übrigens eine eigene Story wert, der hat nun wirklich nix mit Gentrifizierung zu tun. In Deiner Aufzählung hast Du aber noch den neuen Sushi-Laden in der Leberstraße vergessen, der ja bald aufmachen wird...

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  2. Der Sushi-Laden ist mir bislang entgangen, der würde natürlich in die Aufzählung passen – danke für den Hinweis. Ja, ich muss die Läden mal selber besuchen, bislang fehlte mir etwas die Zeit...

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  3. so lange nicht mehr überflüssige läden wie die kleine fabriek herziehen.....
    der weinladen dagegen ist erste sahne, guter wein, nette leute.
    was ist das für ein neues lädchen neben dem mehlstübchen eigentlich? rad schnickschnack?

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    1. Der Laden ist eigentlich eher eine Werkstatt für Rad Schnickschnack, der Verkauf ist eher ein Abfallprodukt. Verkauft wird mehr über das Netz und auf Märkten/Messen

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  4. Dass wir mit der Jansen Bar in der Gotenstraße eine der besten Cocktailbars der Stadt haben, hat uns auch nicht verhipstern lassen. Die Dachterrasse des Nosh zieht im Sommer schon mehr Nicht-Insulaner an, ist aber auch der Hit. Danke für den Tipp mit dem Weinverein, werde ich sofort ausprobieren. Übrigens wird der Erdgeschossladen des sanierten Eckhauses am Leuthener Platz gerade gewerkelt. Weiß jemand schon, was dort hineinkommt?

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    1. Wohl eine Musikschule...Weinverein ist wirklich super!

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  5. Ich finde Gastronomie gibt es hier auf der Insel eigentlich genug. Aber interessant wie die Meinungen auseinander gehen.
    Interessant finde ich ja das Hostel in der Leberstraße. Das hat sich mir auch nicht erschlossen bisher.

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  6. Mir wurde neulich gesteckt, dass das gar kein Hostel ist, sondern ein Puff.

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    1. "gesteckt" ist in diesem Zusammenhang eine etwas verrutschte, wenngleich lustige Wortwahl :-)

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    2. Eher eine kleine Flüchtlingsunterkunft. Es scheinen auch hin und wieder Sozialarbeiter vorbeizuschauen. Es leben dort hauptsächlich junge Männer und hin und wieder eine Kleinfamilie. Die Bewohner wechseln aber alle paar Wochen/Monate. Eine Familie ist inzwischen wohl in eine Wohnung hier auf der Insel gezogen, weil ich den Vater mit zwei kleinen Kindern immer mal wieder hier sehe. Die sind vorher dort ein- und ausgegangen. Also abgesehen vom Lärm des AMG Mercedes vom "Manager" der Unterkunft bekommt man sehr wenig mit. Das mit dem "Puff" Ecke Torgauer sind ja auf jeden Fall interessante Geschichten. Sind die Ex-Unternehmer auch aus der Clique um den Getränkemarkt und die Leberstr. 67? Einerseits Schade, weil die Insel nun etwas weniger "Rot" ist, andererseits sind mir friedfertige Cafébetreiber dann doch lieber.

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  7. Wieso wird as dann als Hostel ausgegeben?
    Einen dicken Schlitten hab ich auch schon häufiger davor gesehen. Das hat einen komischen Beigeschmack.

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