Internationale gegen Sparta Lichtenberg |
Mein letzter Besuch in einem Fußball-Stadion liegt gut zehn
Jahre zurück, Hertha gegen Rostock, ein recht trostloses Gekicke, wie so häufig,
ja eigentlich wie immer bei Hertha. Die Abstiege, die dazwischen lagen,
motivierten mich auch nicht gerade, mal wieder im Olympiastadion vorbeizuschauen.
Ja, ich bin ein Schönwetter-Fan, ein Fernseh-Fußball-„Experte“.
Doch es gibt ja noch andere Möglichkeiten, andere Ligen,
gleich nebenan, auch auf der Roten Insel. Und wenn man schon Lokal-Patriotismus
beweisen will, dann doch gleich richtig. Der FC Internationale hat keine große
Tradition, ist aber sicher einer der sympathischsten Vereine der Stadt. Ich habe
schon einiges über die ungewöhnliche Geschichte mitbekommen, also auf zum Sportplatz an der Mon umentenstraße, zum Abstiegsspiel gegen Sparta Lichtenberg in der Berlin-Liga,
der sechsthöchsten Spielklasse, am Samstag Mittag.
Der Ticketverkäufer in seinem Häuschen wirkt etwas schlecht
gelaunt, ein paar Zuschauer sitzen bereits auf den drei Bankreihen und auch nach
Spielbeginn finden sich noch ein einige Sportbegeisterte ein, am Ende sind es
vielleicht 200. Es sind vor allem ältere Herren mit schütterem Haar, die sich hier
die Zeit vertreiben, ein paar Jugendliche mit Internationale-Sportjacken und sogar die eine oder andere ältere Dame, die man nicht auf einem Fußballplatz erwartet. Der Monumenten-Imbiss verkauft stilsicher Bratwurst und
Bier. In der Hecke trillert eine Nachtigall, die Stimmung unter den Fans ist ziemlich
zurückhaltend. Als die beiden Mannschaften auflaufen (die Schöneberger in tollen blau-schwarz-gestreiften Trikots, eine Hommage auf den Namensvetter Inter
Mailand) kommt auch kein Jubel auf, fast schon rührend ist das aufmunternde Zuwinken
der Spieler.
Fußi in Schöneberg |
Der FC Internationale wurde 1980 gegründet als Antwort auf
die Kommerzialisierung des Fußballs, Spaß und Leidenschaft sollen im
Vordergrund stehen, nicht das Geld. So werden bis heute keine Auflauf- und
Punkteprämien gezahlt, auch in der Berlin-Liga ist dies eine große Ausnahme. Auf den
Trikots prangt kein Sponsoren-Name, sondern ein „No Racism“-Logo, die
Integrationsarbeit des Clubs ist kein Lippenbekenntnis, sondern gelebte
Realität. Die Preise für die Vereinsarbeit sind daher auch zahlreicher als für
sportliche Erfolge.
Ein Punkt würde heute reichen, um relativ sicher den
Klassenerhalt zu sichern. Aber Inter beginnt nervös, die Lichtenberger brechen
immer wieder über die rechte Seite durch, jedoch zunächst ohne Erfolg. Etwas
überraschend schnappt sich Moritz Sondermann in der 11. Minute den Ball,
umkurvt einige Sparta-Spieler und auch den Torwart und bringt Inter in Führung.
Ich ertappe mich beim Jubeln.
Doch die Freude währt nur kurz, nämlich genau eine Minute.
Wieder patzt die Schöneberger Abwehr und legt freundlich auf zum Ausgleich, drei weitere Minuten später
setzt sich ein Sparta-Mann erneut rechts durch, flankt und per Kopfball gehen
die Gäste in Führung.
Am Spielfeldrand pflückt ein kleines Mädchen mit buntem Haarreif
Pusteblumen und Gänseblümchen, fragt ihren Vater nach dem Namen einer gelben
Blume. Alte Bekannte treffen sich unter den Zuschauern und bringen sich auf den
neusten Stand über das Auto des Nachbarn („sechs Zylinder, kann sich es wohl
leisten“). Bei einem Abseitspfiff warte ich vergeblich auf die Wiederholung, verdammte Fernsehgewohnheit.
Nein, es gibt keine Anzeigetafel, nicht einmal aus Holz, keine Lautsprecherdurchsagen.
Zur Pause hole ich mir eine Bratwurst und ein Bier, wenn
schon, dann richtig. Erstaunt sehe ich zwei Reporter, die offensichtlich eine
Live-Reportage übertragen. Für wie viele Zuhörer?
Was wohl nur wenige wissen: Der Sportplatz an der
Monumentenstraße hat eine Tradition, die ziemlich erstaunlich ist. Genauer gesagt: Auf
dem angrenzenden Recycling-Hof stand einst ein richtiges Fußball-Stadion, das
bis zu 12.000 Zuschauern Platz bot. In den 1950er Jahren wurde es abgerissen;
in dem schönen Band „Rasen der Leidenschaften – Die Fußballplätze von Berlin“
finden sich zwei alte Aufnahmen.
Die zweite Halbzeit beginnt. Die Zuschauer unterhalten sich
über den Abstiegskampf von Hertha, die heute Nachmittag spielen. Der schlecht
gelaunte Kassierer taucht auf der anderen Platzseite auf und ist noch
schlechter gelaunt, schreit ein „Mann, Mann, Mann“ über den Platz und
verschwindet wieder. Die Inter-Spieler rennen jetzt an, die Abwehr ist
konzentrierter, doch der Ball will nicht ins Tor. Einige Zuschauer sind
genervt, ärgern sich über den Schiedsrichter und das Spiel wird ruppiger. Der
Kassierer taucht jetzt hinter dem Sparta-Tor auf und brüllt mit einer
ungesunden Gesichtsfarbe etwas von einem „Scheiß-Spiel“. Es hätte noch eine
weitere Stunde gespielt werden können, der Ball wäre nicht mehr im Tor
gelandet. Mit dem 1:2 befinden sich die Schöneberger wieder im Abstiegskampf,
zwei Spiele bleiben noch in dieser Saison. Und mit Tennis Borussia kommt in
zwei Wochen ein echtes Schwergewicht an die Monumentenstraße, ein
Traditionsverein, es wird nicht leicht. Nach dem Schlusspfiff leert sich der
Platz ziemlich schnell. Es hat Spaß gemacht, ich werde wieder kommen, vielleicht schaffe ich es ja über den Status des Schönwetter-Fans hinaus.
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