Dienstag, 17. September 2013

Der erste Bahnhof Schöneberg

Bahnhof Schöneberg um 1913. Copyright:
Museen Tempelhof-Schöneberg von Berlin/Archiv
Seit etwas mehr als fünf Jahren halten die S-Bahnen wieder im Herzen Schönebergs, am, -vorsichtig formuliert - eher schlichten Bahnhof mit dem heutigen Namen "Julius-Leber-Brücke" - nach fast 65 Jahren Pause. Weitere 61 Jahre vor der Schließung 1942, am 15. Oktober 1881, begann die bewegende Geschichte dieses Bahnhofs, zunächst mit einem einfachen Seitenbahnsteig mit dem Namen Neu-Schöneberg; damals noch weitgehend ohne Bebauung in der Nachbarschaft, quasi auf freiem Feld. Die Ringbahnzüge auf dem Weg über die sogenannte Ringbahnspitzkehre (auf dem Gelände des heutigen Cheruskerparks) auf dem Weg zum Potsdamer Bahnhof in Berlin konnten hier einen Zwischenstopp einlegen. Nur zehn Jahre später wurde der Bahnhof ein erstes Mal umgebaut; Grund war der zunehmende Personenverkehr, der den Bau der neuen Wannseebahn erforderlich machte. Dem Bahnhof wurde das "Neu" aus dem Namen gestrichen, erhielt einen Mittelbahnsteig sowie ein ordentliches, geklinkertes Empfangsgebäude inklusive eines "Gewächshausgangs" zum Bahnsteig. 
Bahnhof Schöneberg um 1888. Copyright:
Museen Tempelhof-Schöneberg von Berlin/Archiv
1932 gab die Station ihren Namen zugunsten des neu errichteten Kreuzungsbahnhofs an der Dominicusstraße (damals Mühlenstraße) ab und trug fortan den Namen "Kolonnenstraße". 1937 begannen erneute Umbauarbeiten; geplant war eine größere Umsteigestation zwischen Ring- und Wannseebahn, deren Züge wegen Platzmangels unter der damaligen Sedanbrücke am Bahnhof Großgörschenstraße hielten (wiederum nicht zu verwechseln mit dem heutigen S-Bahnhof Yorckstraße/Großgörschenstraße, hierzu mehr in einigen Wochen). Das Empfangsgebäude wurde abgerissen und der Südteil der Brücke umgebaut. Wenig später stoppten die Arbeiten; die Nazis hatten sich zwischenzeitlich überlegt, Berlin in die Welthauptstadt Germania umbauen zu wollen. Die vorhandenen Pläne waren somit zu poplig und wurden auf Eis gelegt; der Bahnhof Kolonnenstraße erhielt einen provisorischen Pavillion und eine Holztreppe. Berliner Provisorien für größenwahnsinnige Pläne - so beliebt einst wie heute, ohne die politischen System gleichsetzten zu wollen!
1944 wurde der Verkehr aufgrund der Kriegszerstörungen eingestellt und der Bahnhof Kolonnenstraße fiel in seinen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf, wurde von der Natur überwuchert, verschwand aber nie vollkommen aus dem Gedächtnis..
Der heutige S-Bahnhof J.-Leber-Brücke
1984 wurde der S-Bahnverkehr von der DDR-Reichsbahn an die West-Berliner BVG abgegeben und somit wurden erste Planungen zum Wiederaufbau der Station an der Brücke angestellt, die jetzt den Namen Julius Lebers trug. Auch damals gab es größenwahnsinnige Überlegungen: Um prima Platz für die Westtangente und den Autoverkehr zu schaffen, sollte die Anhalter Bahn verschwenkt und teilweise unterirdisch unter der Roten Insel hindurch zu einem Umsteigebahnhof Kolonnenstraße geführt werden. Dieser Plan verschwand bekanntermaßen wieder in der Schublade. Wie alle anderen Pläne, auch das ein bekanntes Berliner Phänomen. 2004 startete ein neuer Versuch, und tatsächlich - am 2. Mai 2008 wurde der neue Bahnhof Julius-Leber-Brücke in Betrieb genommen. Freilich als unfertiges Provisorium mit zwei Seitenbahnsteigen und inzwischen insgesamt vier Aufgängen zu beiden Seiten der Brücke. Nach weiteren fünf Jahren wurde dann auch die letzte Bushaltestelle vor die Eingänge verlegt, so dass der Bahnhof jetzt als komplett anzusehen ist.
Von der  Leberstraße (damals Sedanstr.)
aus gesehen um 1910. Copyright: Museen
Tempelhof-Schöneberg von Berlin/Archiv
Allerdings gibt es weitere Pläne mit der Station. Der östliche Bahnsteig könnte eines fernen Tages zum Inselbahnsteig werden und ein Gleis der dann neuen Cheruskerkurve aufnehmen, die teilweise in Tunnellage wieder eine Verbindung von der Ringbahn zur Berlin-Potsdamer- bzw. zur Wannseebahn herstellen soll und ein Teil des Cheruskerparks unbenutzbar machen würde. Diese Pläne firmieren unter dem Namen "S21" und sind sehr entfernte Zukunftsmusik.
Bis dahin zeugen noch die letzten, überwucherten Bahnsteigreste des ehemaligen Bahnhofs Kolonnenstraße von der Vergangenheit dieses Orts.

2 Kommentare:

  1. Dank für den interessanten historischen Abriss! Und eine Rückfrage: Was ist ein "Gewächshausgang"?

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  2. Gewächshausgänge sind die typischen verglasten Treppenabgänge bei Berliner S-Bahnstationen, wie man sie heute noch hier und da findet, z.B. am Bahnhof Botanischer Garten. Und schön, dass der Artikel Ihnen gefallen hat!

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